Online Marketing & Content Managerin bei Dr. Flex Taya Kryvanych
Taya Kryvanych
Online Marketing & Content
Veröffentlicht am 18.11.2022 (Aktualisiert am 28.05.2024)

Praxisgründung die Herausforderung

Wir haben die Top 5 häufig gestellten Fragen zum Thema "Existenzgründung" zusammengefasst und Jan Pick - Geschäftsführer von Team Lieblings-Zahnarzt - dazu befragt.

Mit Jan arbeiten wir bei Dr. Flex schon länger zusammen und wir freuen uns, ihm ein paar Fragen stellen zu dürfen. Er ist Gründer und Geschäftsführer von “Lieblings-Zahnarzt” und berichtet uns von seiner Arbeit, der er sehr passioniert nachgeht. Entgegen des Trends, der immer mehr in Richtung Praxisübernahmen geht - Praxisgründungen liegen seit Jahren bei etwa 10 % - spricht Jan über die Tücken von Übernahmen.

Auch berichtet er davon, dass die Hauptarbeit erst nach einer Praxis-Neugründung aufkommt. Das ist für uns neu - Jan erzählt warum.

Wer ist Jan Pick?

Jan ist von Hause aus BWL'er, hat an den Lehrstühlen für Finanzwirtschaft und Corporate Governance/Controlling an der Uni Wuppertal promoviert und begleitet als Partner auf Augenhöhe aktiv Zahnärzt:innen auf dem Weg in die Selbstständigkeit

Was ist "Lieblings-Zahnarzt"?

“Lieblings-Zahnarzt” ist eine Zahnarztpraxis in Köln und eine Zahnarztmarke. Eine Neugründung von Dr. Christin Steinbach, die sich vor 6 Jahren mitten in Köln niedergelassen hat.

Wie ist das Konzept entstanden?

Jan Pick: Wie in der Dentalbranche üblich, durchlief Christin den relativ standardisierten Prozess der Auseinandersetzung mit den Themen wie “Selbstständigkeit, ja/nein”, wenn ja, dann “Neugründung” oder “Übernahme” und ging nach vielen Besichtigungen mit der Erkenntnis heraus, dass sich ihre Vision, die sie von einer Zahnarztpraxis zu dieser Zeit hatte, nur in Form einer Neugründung umsetzen lässt.

Sie hat sich dann vor 6 Jahren in Köln mit 4 Behandlungszimmern niedergelassen. Zunächst hat sie nur 3 Behandlungszimmer ausgebaut und über die Zeit ist ihre Praxis auf 11 Behandlungszimmer, 600 qm, fast 13 .000 Patient:innen gewachsen! In 6 Jahren! Ein Riesenkompliment an der Stelle an Christin - zu der Zeit war ich noch nicht dabei. Das hat Christin mit der Unterstützung ihres Mannes Michael gemacht, der BWL'er ist, kein Zahnmediziner. Er hat ihr in den Themen Marketing, Personal, Recruiting geholfen und sie unterstützt.

Ich bin selbst auch BWLer, habe Wirtschaftswissenschaften studiert, Bachelor/Master, war wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Uni in Wuppertal und habe promoviert. Über meinen Doktorvater habe ich die beiden vor 4 Jahren kennengelernt und bin Patient bei “Lieblingszahnarzt” geworden. Ich würde sagen, dass ich der “typische deutsche Patient” bin, der nicht “Juchhu!” schreit, wenn es zum Zahnarzt geht.

Bei “Lieblings-Zahnarzt” war es anders, es hat nicht nach Zahnarzt gerochen, es sah nicht so aus und die Leute die da arbeiten, hatten einfach eine tolle Laune - das kannte ich weder vom Zahnarzt noch vom Arzt wo ich sonst hingehe. Coole Stimmung, Musik läuft, dass man noch n Kaffee trinken kann, Wohlfühlambiente - alles neu.

Auch heute, seit drei Jahren bin ich dabei und stets mit der Frage: "Wie sehr können wir die Ärzte revolutionieren?"

Ich habe mich mit Michael und Christin angefreundet und über die Zeit kamen immer wieder Anfragen in der Art “Kann ich Lieblings-Zahnarzt in München machen?”.

Christin war zwar Zahnmedizinerin und konnte ein paar Tipps geben, aber mehr auch nicht.

Da haben Michael und ich als BWL'er nachgedacht, eine Marktanalyse gemacht und relativ schnell festgestellt, dass es gute Gründungsberater gibt, die Zahnärzt:innen auf dem Weg in die Selbstständigkeit unterstützen, sei es Neugründung oder Übernahme. An dem Punkt gab es Tipps und Einwände von Christin dazu, dass der große Batzen an Themen ja erst nach der Übernahme/Neugründung, nämlich nach der Eröffnung kommt!

Marketing, QM, IT, Team, Prozesse, Telematik - alles Dinge, die Zahnärzte nicht im Studium lernen. Das haben wir zum Anlass genommen, uns ein Konzept zu überlegen, welches die Sache sowohl vor der Gründungsphase (Pre-Openeing) als insbesondere auch danach ganzheitlich betrachtet und haben vor 2,5 Jahren dann das “Team Lieblings-Zahnarzt” gegründet.

Wir sind 4 Geschäftsführer, neben Michael, Christin und mir ist noch ein Unternehmer dazugekommen: Paul, auch ein BWL'er mit dem Schwerpunkt auf Unternehmensführung. Wir sind sehr passioniert und brennen für unser Projekt! Wir haben viele tolle Mitarbeiter:innen gewonnen, auf die wir sehr stolz sind.

Eine der größten Erfolgsfaktoren ist immer das “Team” - sowohl in der Praxis selbst als auch in jeder anderen Firma.

Neugründung oder Praxisübernahme?

Jan Pick: Unser Konzept bezieht sich ehrlicherweise fast nur auf Neugründungen, dennoch steht bei uns stets der Mensch im Vordergrund. Wenn wir also jemanden kennenlernen, der eine konkrete Praxis vor Augen hat, beschäftigen wir uns auch damit. Aber eine “Übernahme” ist schon sehr sehr schwierig.

Studien zeigen auch, dass Neugründungen wesentlich erfolgreicher und dynamischer wachsen, weil am Ende nichts hakt und zerrt. Eines der größten Nachteile einer Übernahme sind, dass die menschliche Beziehung zwischen dem alten Inhaber, seinem Team und seinen Patienten, gewachsen ist. Wenn der junge, moderne Zahnmediziner da rein kommt und z.B. sehr präventiv und prophylaxe-orientiert arbeiten möchte und dies dem Patienten sagt, kann es zu Irritationen kommen. Sobald etwas anders gemacht wird, ist es schwierig. Der Patient kann gar nicht bewerten, obs besser oder schlechter ist, es ist einfach “anders”: Mitarbeiter:innen klären jetzt am iPad auf, arbeiten komplett digital. Der/die Mitarbeiter:in: “Wir haben jetzt 15 Jahre ohne iPad gearbeitet, hat doch alles wunderbar geklappt!” - Und schon hast du die Themen und musst als Inhaber Entscheidungen treffen. Wenn wir mit unserem maximalen digitalen Konzept aufschlagen, dann sage ich: ja, wir sollten uns bewusst machen, dass das Herausforderungen mit sich bringt.

Was sind die Herausforderungen, an die ein niedergelassener Zahnarzt / eine niedergelassene Zahnärztin nicht denkt?

Jan Pick: Gute Frage, aus dem Bauch heraus kommt mir direkt “die Vision” in dem Kopf.

Häufig planen die Existenzgründer ihren Horizont auf 1-3 Jahre. Sie orientieren sich erstmal nur um den Anfang herum. Ich merke, dass wir da ganz anders ansetzen.

Zu unserem Prozess gehört deswegen auch, dass wir dem Gründer am Anfang 5 Fragen zu seiner “5-Jahres-Vision” stellen.

  • Wie willst du in 5 Jahren leben und arbeiten?
  • Wie viele Angestellte möchtest du haben?
  • Wie viel möchtest du selbst am Stuhl stehen?
  • Wieviel möchtest du geöffnet haben?
  • Willst du samstags geöffnet haben?
  • Gibt's technische Besonderheiten?

All diese Themen müssen bearbeitet sein. Wenn ich weiß, wo ich in 5 Jahren sein möchte, weiß ich, wie ich jetzt arbeiten muss. Dann kommt es nicht zu "Wachstumshindernissen" - die wir im Vorfeld verhindern wollen, indem wir uns direkt an der Vision orientieren, lieber etwas mehr vorbereiten (z.B. paar Quadratmeter mehr), denn das rechnet sich. “Gross denken" und sich frühzeitig damit auseinandersetzen und langfristig planen.

Was entscheidet, ob die Praxis am Ende erfolgreich ist?

Jan Pick: Erfolg ist ja was sehr Subjektives, was individuell betrachtet werden muss. Für den einen ist Erfolg, wenn die Mitarbeiterinnen zufrieden sind, für den anderen ist Erfolg, wenn die 6 Zimmer voll ausgelastet sind. Ich nenne da immer Folgendes:

  1. Du musst dich mit deinem Konzept differenzieren. Es gibt in Deutschland so viele Zahnarztpraxen!

  2. Du musst sichtbar sein.

Nicht im Sinne von: in Düsseldorf auf der Kö, in Frankfurt auf der Goethestr.”, sondern sichtbar da, wo Menschen nach "Zahnarzt" suchen. Und das wisst ihr von Dr. Flex zu gut: wo suchen sie? Online, Dr. Flex, jameda, Google, Instagram, Facebook - verschiedenste Kanäle, wo jemand nach einem Zahnarzt sucht. Da muss man die Menschen abholen mit einem differenzierten Konzept. Man muss sie dementsprechend ansprechen, man muss es tracken, effizient Marketing machen um zu gucken, wofür gebe ich grad Geld aus, wie gewinne ich damit die Patient:innen?

Das sind zwei wichtige Faktoren.

  1. Patientenerlebnis

“Lieblings-Zahnarzt” steht für Wohlfühlatmospäre und Patient:innenerlebnis. Die Patient:innen haben die Erwartung, sie gehen zum Zahnarzt und im besten Fall tut es nie wieder weh und sie müssen nicht wieder hin. Aber nein, das ist nicht der Ansatz.

Wir wollen ein Erlebnis bieten, dass er sagt “Wow, so ein Erlebnis hatte ich noch nie.” das betrifft z.B. den gesamten Ablauf: eine Terminbuchung online, zu wissen, wohin man geht weil es online schon eine Darstellung der Praxis gibt, ein super nettes Team, kurze Wartezeit, Versand des Röntgenbildes per Mail, Buchung des Folgetermins online.

Das Erlebnis gepaart mit einer tollen Teamkultur, wo die Leute Bock auf ihren Job haben - wenn du diese 3 Punkte zusammen nimmst, bist du sehr sehr erfolgreich.

Wenn sich die Konzepte der verschiedenen Zahnärzte voneinander abgrenzen - spielt es auch keine Rolle, wie die Standortanalyse aussieht. Sie gewinnen ganz andere Patient:innen, als wir z.B. gewinnen.

Wie lange dauert die Eröffnung einer Praxis? Was macht man in der Zeit?

Jan Pick: Schwer zu sagen, was da der Standart ist. Der gedankliche Prozess dauert ja einfach, bis man den Schritt geht. Manche überlegen bereits während einer zuvor stattfindenden Elternzeit, wie sie den Prozess in die Selbstständigkeit starten. Andere sagen, ich will bewusst 4 Monate in der Zwischenzeit frei haben, um nochmal zwei Monate verreisen zu können, Zeit zum Nachdenken zu haben. Es sind ganz unterschiedliche Lebensumstände, die über diese Zeit bestimmen.

Der Prozess dauert ja, wenn man zum Beispiel in einer Anstellung ist, wenn man darüber nachdenkt, sich selbstständig zu machen. Ausbau, Umbau - da vergehen irgendwas zwischen 6 und 18 Monaten. Dank eines Projektmanagement-Tools könnte man in der Zeit der Überlegungen noch 3/4 Monate in der Anstellung als Zahnarzt tätig sein und es dann sukzessive runterfahren.

Könntest du dennoch versuchen, den Ärzt:innen, die eines Tages eine eigene Praxis eröffnen möchten, einen “allgemeinen Leitfaden” an die Hand zu geben?

Sich unbedingt Leute ins Boot holen, die das tagtäglich machen! Sucht euch Hilfe! Gründungsberater, Anwalt, Steuerberater - das muss gar nicht unser Konzept sein - es gibt ganz viele Möglichkeiten an Expertise, die man sich dazuholen kann.

Trefft eine aktive Lebensentscheidung und orientiert daran, was für EUCH passt. Wo will ich leben und arbeiten? Wo setze ich meine Anker? Reden, austauschen, mit erfahrenen Leuten, frühzeitig Gedanken machen, Konzept aufschreiben, lasst die Vision in euch reifen. Es ist ein Entwicklungsprozess - die Praxis entsteht nicht von heute auf morgen.

Und: es gibt nicht den richtigen Zeitpunkt, alles ist möglich.

Geht den Weg, den ihr gehen wollt, was euch motiviert, es ist nicht für jeden etwas. Was gibt euch Kraft, was zieht euch Kraft.

…das war doch mehr als ein Tipp.

Quellen

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